Notizen eines Flaneurs,  SPANNUNGEN:2025

Notizen eines Flaneurs | 27. Juni

Ulrich Graf von Saurma macht sich Notizen

SPANNUNGEN:2025 ist Geschichte, aber in mir klingt so viel nach. Immer im Juni, wenn ich die Turmbläser von der Zinne des Wasserkraftwerks in Heimbach höre, dann ist Festivalzeit. Davor versammeln sich Kammermusikfreunde aller Generationen fröhlich plaudernd in Erwartung auf das Abendprogramm. Der Jugendstilbau wird zum Konzertsaal, Spannungen ganz anderer Art entstehen. Die „Süddeutsche Zeitung“ nannte diesen Ort einst „Kathedrale von Strom und Musik“.
Musikschwerpunkt in diesem Jahr war „Das Echo der Zeit“. Dazu passt, dass das Festival schon lange den Anspruch hat, Werke von verfolgten oder ermordeten Komponisten aufzuführen. Besonders berührt hat mich das Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello „In Memoriam der Opfer von Faschismus und Krieg“ von Dimitri Schostakowitsch am Donnerstag.
Es gehört zum schönen Brauch bei SPANNUNGEN: am Freitag ein neues Werk erstmals aufzuführen, möglich dank der Unterstützung der Familie Rohs. Donghoon Shin als „Composer in Residence“ ist ein angesehener Komponist, geboren in Südkorea, seit vielen Jahren in London beheimatet. Sein beeindruckendes Auftragswerk „Winter Sonata für Violine und Klavier“ hat er Christian Tetzlaff und Leif Ove Andsnes gewidmet.
Kammermusik in Heimbach, das bedeutet auch ausgefallene Stücke und seltene Instrumente zu hören, z.B. „Percussion für Tamtam solo“ von James Tenny. Stefan Rapp bearbeitete rund 15 Minuten lang seinen Gong von unhörbar leise bis ohrenbetäubend laut und zurück in die Unhörbarkeit: Hochspannung ohne Huster.
Die Nähe der Musiker zu ihrem Publikum ist bei SPANNUNGEN: wie immer natürlich und ungekünstelt. Ich erlebe immer häufiger Kinder der Musiker, die ich als Kleinkinder kennengelernt habe, die Musiker geworden sind und inzwischen Teil des Ensembles.
Und noch etwas will SPANNUNGEN: Junge Menschen für Kammermusik zu interessieren. Lars Vogts Tochter Isabelle moderierte gekonnt humorvoll die Veranstaltung für Schüler am Mittwochvormittag und das Familienkonzert am Sonntagvormittag mit dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns als Höhepunkt.
SPANNUNGEN: 2025 hat mir – wie schon immer – bemerkenswerte Konzertabende beschert: Musik auf höchstem Niveau mit großer Spielfreude dargeboten, dabei nicht selten Werke, die ich vermutlich sonst nie gehört hätte.